Gruß zum Sonntag -
Gruß zum 20. Sonntag nach Trinitateis am 02.11.2025
von Propst Faehling
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn, Jesus Christus. Amen.
Die ersten 11 Kapitel der Bibel sind, so sagen die Forschenden, nachträglich der Bibel vorangestellt worden.
Eigentlich begann die Bibel mal mit dem heutigen 12. Kapitel des 1. Buches Mose, wo es heißt, dass Abraham gesegnet ist und ein Segen sein solle und dass Gott ihm eine neue Heimat und viele Nachkommen schenken wolle.
Die Bibel also ein Buch des Weges Gottes mit den Menschen. Und dieser Weg ist geleitet und begleitet und gesegnet.
Und, so meinen die Wissenschaftler, irgendwann reichte so ein Buch nicht mehr. Sondern man brauchte eine Vorgeschichte, die davon erzählt, wie die Menschen überhaupt so auf die Welt und ins Leben kamen, und was Menschen so tun, schon immer tun.
Und so erzählten die ersten 11 Kapitel dann von der Schöpfung, und wie die Menschen nicht widerstehen können, sondern alles besitzen wollen und wie sich dafür sogar Brüder gegenseitig umbringen, und wie die Menschen die Schöpfung verspielen und in einer großen Flut versinken – wie aktuell ist das denn – und wie schließlich aber Gott dennoch, angesichts aller menschliche Realität alle Menschen bewahren will und aus dem Kriegsbogen einen Regenbogen als immerwährendes Zeichen der Versöhnung macht.
Eine Beziehungsgeschichte wird uns hier erzählt. Und zwar von einem Gott, der Beziehung lebt, obwohl sein Gegenüber, der Mensch permanent die Regeln der Beziehung dehnt und sogar bricht.
Es ist eine sehr außergewöhnlich haltbare Beziehung, die Gott hier feststellt und festhält.
So sind die Verseschon immer sehr diskutiert worden. Kann Gott das ernst meinen? Verleugnet Gott die Fehlerhäufigkeit des Menschen? Ist Gott unvernünftig? Waren Menschen früher anders, vielleicht besser? Und ist das Symbol des Regenbogens nicht doch irgendwann durch das Tun der Menschen überholt, sozusagen doch zerbrochen?
Und die Antwort ist ebenso klar, wie schwer verständlich:
Doch, Gott ist Realist. Er sieht den Menschen durchaus wirklichkeitsnah mit all seinen Fehlern.
Gott ist auch nicht unkaputtbar hoffend, als könne der Mensch doch irgendwann einmal besser werden.
Und schließlich ist Gott auch nicht irgendwann am Ende seiner Geduld.
Sondern so, wie die Menschen sind; so, wie wir alle bis heute sind, mit all unseren Fehlern und Versäumnissen, Haken und Ösen gibt Gott uns nicht auf. Er kündigt Liebe, Leben und Zukunft nicht auf.
Ich denke, es hat etwas mit seiner Treue zu tun. Es ist eine mütterliche und väterliche Treue, die es unter uns Menschen in kleineren Dimensionen und bis zu Grenzen auch gibt. Gott überlebt die Taten der Menschen, wie eine Kind-Eltern-Beziehung die Höhen und vor allem Tiefen von Streit, Unverständnis und Distanzierung überlebt, jedenfalls meistens. Es hat etwas mit dem Thema Liebe zu tun, die weit mehr als nur romantisch sich zutiefst verbunden fühlt zu einem Wesen, für das ich Verantwortung habe. Gottes Blick auf Menschen ist einerseits von großer Klarheit und zugleich von großer Klugheit geprägt. Es ist eine Klugheit des Herzens. Sie richtet sich nicht vorrangig nach Taten, sondern nach der inneren Entscheidung für Verantwortung, die jemand übernommen hat.
Gott kann durchaus wütend werden und spielt immer wieder mit dem Gedanken, seinen Geduldfaden reißen zu lassen und sich von den Menschen und seiner Liebe zu ihnen zu verabschieden.
Aber am Ende hat er es nie getan. Stattdessen hat er durch Jesu Auferstehung sogar eine Tür in die Ewigkeit aufgestoßen.
Ich weiß ja auch nicht, wie Gott wirklich tickt. Sondern ich kann mich in meinem Denken und Glauben immer nur versuchen anzunähern.
Aber in mir gibt es ein Bild, von Gott als einen, der sich freimacht von unseren menschlichen Bildern von richtig und falsch, von Tat und Strafe und vor allem von Aufkündigung der liebevollen Beziehung.
Als gäbe es bei Gott Dimensionen und eine Weite des Raumes, die wir höchstens erahnen können.
Und wo wir in menschlichen Kategorien bleiben, wo wir mit dem Finger zeigen, Rache üben, Strafe und Vergeltung verlangen, erst Krieg führen und dann mühsam wieder alles aufbauen und mit Hilfe von Psychologinnen zu verstehen versuchen, warum Menschen so und nicht anders ticken und handeln, scheint mir Gott so eine Art Steinzeitliebe zu haben, als gäbe es in seinem Herzen schon immer und für immer Platz für alle und jedes.
Und, das finde ich total wichtig, das bedeutet nicht, es sei egal, was wir tun und lassen, uns antun und verweigern. Vielmehr haben wir alle Verantwortung für unsere Taten und Verletzungen, unsere Zerstörungen und Missachtungen, unsere Lieblosigkeit und unser Misstrauen.
Und zugleich kann uns nichts von Gottes Liebe trennen, nicht einmal Engel sagt Paulus in seinem Brief an die Römer.
Ich glaube, ich versuche zu sagen: Es ist ein Wunder mit Gottes Liebe. Und so wenig egal ist, was wir tun und wie wir leben, und so sehr wir dafür zur Verantwortung gezogen werden, schafft Gott es seltsamerweise dennoch, uns nicht fallen zu lassen.
So sind wir einerseits Menschen mit allen Fehlern und haben andererseits dennoch die Chance, immer neu anzufangen. Und wo wir auf der Welt Chancen verspielen und dabei die ganze Welt sehr ernsthaft aufs Spiel setzen, kann Gott dennoch Regenbogen und Segen auch für die Zukunft setzen.
Am Ende bleibt es ein rätselhaftes Versprechen. Auch, wenn ich Gott vertraue, bleibt er für mich voller Rätsel. Aber zugleich macht er mir trotzdem Hoffnung.
Und ein Regenbogen erinnert mich daran.
Amen.
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!



