Ev.-luth. Kirchengemeinde Preetz

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Gruß zum Sonntag -

Gruß zum Sonntag Invokavit am 09.03.2025
von Pastorin Lilienthal

 
 

Liebe Gemeinde,

und Gott, der Herr, rief: Wo bist du? Es ist eine Sensationsgeschichte. Die Geschichte vom Sündenfall. Bestimmt haben Sie die Bilder direkt vor Augen. Gott, Mensch, Apfel, Schlange. Sei es in Kunst, Kultur und Literatur, aber auch im profanen Leben, wie z.B. der Werbung, begegnet uns immer wieder diese so berühmte Geschichte vom Anfang der Bibel. Es geht um Versuchung. Versuchung ist eine ernste Sache. Die Erzählung vom Sündenfall am Anfang des Alten Testaments im Buch Genesis ist Urgeschichte. Sie ist Menschheitsgeschichte unter Gottes Wort. Sie geht allem voraus und erzählt von paradiesischen Zuständen. Der Garten Eden, die Gemeinschaft mit Gott, sie bebildert unsere Sehnsucht. Sie zeugt von einer ursprünglichen Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch und der beiden Menschen untereinander. Eine Gemeinschaft, die in Vertrauen und Sicherheit geborgen ist. Sie deutet das Eins-Sein mit Gott. Und Adam und Eva können Gottes Angesicht sehen. Stellen Sie es sich vor: Sie können Gottes Angesicht sehen!

In diese Gewissheit hinein tritt das Böse in der Figur der Schlange. Durch listiges Fragen verunsichert sie Eva, sodass Eva das Gebot – wir wissen es - übertritt. Sie handelt gegen Gottes Wort. Zunächst wirkt es auf uns wie eine äußerliche, gar dämonische Macht, die in Eva hineinwirkt. Vielmehr ist die Schlange aber ein Symbol für das, was in uns selbst ist und uns von Gott zu trennen droht. Die Schuld haben nicht die anderen, die Frau oder die Schlange. Wir sind verantwortlich für das, was uns Menschen auseinander gehen lässt und was unsere Beziehungen angreift oder überdies scheitern lässt. Dann, wenn wir Vertrauen verlieren und Misstrauen wächst.

Das Böse zu erklären, darauf ist die Erzählung nicht aus. Das Wirken der Schlange beschreibt einzig den Bruch, der in uns stattfindet, wenn wir Vertrauen und Beziehungen hinterfragen. Wir alle kennen doch das Gefühl, wenn das Böse gar übermächtig in uns wird und wir aus Wut, Ärger oder Misstrauen etwas tun, was wir eigentlich nicht tun wollten. Wenn wir uns hinreißen lassen. Dann entsteht ein Riss und wir merken, es ist etwas zerbrochen. Und manchmal schämen wir uns auch.

So wie der Riss zwischen Gott und Mensch aufklafft.

Und dann der Ruf: Wo bist du?

Eine Frage, die in das Schamgefühl eines Menschen hinein gerufen wird. Adam und Eva haben sich versteckt. Sie hören Gott im Garten umher wandeln und möchten ihm, ihrem Schöpfer, doch nicht begegnen. Zu groß ist die Scham. Zu groß ist die Angst zu enttäuschen. Oder ist es vielmehr das Wissen darum, bereits enttäuscht zu haben? Sie können Gott nicht unter die Augen treten, sie fühlen sich nackt und hilflos. Dieses Gefühl trennt sie von Gott. Damit beschreibt die Geschichte das, was zwischen Gott und Mensch zerbrochen ist. Das, was nun klar vor Augen liegt, so wie der Mensch wirklich ist. Gott ist vom Menschen enttäuscht. Das was war, ist nicht mehr da. Beziehungslosigkeit.

Der Mensch steht nun vor Gott in all seinem Scheitern. Nackt und bloß in absoluter Konsequenz. Adam und Eva fallen hinaus aus dem Eins-Sein, aus der Geborgenheit mit Gott. Damit legen sie uns auch unser Leben vor die Füße. Wir erkennen, so ist es mit Gott und uns. Mit dieser Geschichte werden wir mit den Brüchen unseres Mensch-Seins und Miteinander-Seins, mit all dem Zweifelhaften konfrontiert. Wir sehen ja, wenn wir uns in der Welt umsehen, wir leben nicht im Paradies. In Zeiten von Terror und Lebensverneinung fürchten wir, dass das Böse im Menschen gar übermächtig wird.

Vor einiger Zeit sprach ich mit einem älteren Herrn aus kirchlichem Kontext. Ich möchte ihnen davon erzählen. Er sagte: „Nach der Wiedervereinigung in den 90-iger Jahren, da war es wirklich gut. Da dachten wir, die schlimmen Zeiten mit Angst und Krieg, die liegen endlich hinter uns. Darüber sind wir hinaus. Wir können aufatmen. Und dann der Balkankrieg. Plötzlich schlagen sich die Menschen, ja sie sind doch gar Brüder“, sagte er, „dort wieder die Köpfe ein. Wir waren fassungslos und wo sind wir heute angekommen?“

Ich sah die Traurigkeit im Blick des Mannes. Ich sah die Enttäuschung über uns Menschen und über unsere Welt. Ich dachte an die Ursprungsgeschichte, ich dachte auch an Kain und Abel.

Wer sind wir wirklich? Schauen wir uns an und in die Welt, ist das, was vom Menschen zu sagen ist, oft enttäuschend. Sowohl vor Gott als auch untereinander.

Und trotzdem die Frage: Wo bist du?

Die Antwort ist eine große Sehnsucht nach Vergewisserung. Ein Schritt hinaus aus dem Versteck. Menschen wollen doch in tragender Gemeinschaft leben und vertrauensvolle Beziehungen erfahren. Untereinander und mit Gott. Das ist doch Menschsein. Ich habe die große Hoffnung: Das ist immer stärker.

Wo bist du?

Die Passionszeit nimmt uns heraus aus aller Täuschung. Sie deckt auf, dass wir nicht sein können wie Gott und eben doch klein und nackt sind. In der Passionszeit blicken wir auf das, was es auszuhalten gilt, wenn wir uns selber ansehen. So können wir uns überhaupt erst aus unserem Versteck wagen. Dies vermögen wir zu tun im Vertrauen darauf, dass wir Gott recht sind in all unserem Mensch-Sein. Durch jeden Riss scheint auch immer das Licht des Lebens.

Und letztlich zurück zum Predigttext in Genesis 3,1-19: Gott vernichtet den Menschen nicht. Er macht seine Strafandrohung Adam und Eva gegenüber nicht wahr. Er schreitet über den Riss hinweg auf die Menschen zu. In der Geschichte gibt Gott Adam und Eva schützende Kleidung. Er bewahrt sie trotz all ihrer Unvollkommenheit auf ihrem Weg in die verantwortete Freiheit. Eine Freiheit, die jedoch im Schatten des Todes steht und mit der Aussicht endet „Denn du bist Staub und sollst zu Staube werden“. Der Predigttext schließt mit der Konfrontation und der Endlichkeit des Lebens. Doch im Grunde bewahrt Gott seine Schöpfung. Auch das ist Passion. Gott vernichtet den Menschen nicht über seine Enttäuschung. Er macht seine Schöpfung nicht rückgängig. In all unserer Freiheit und unserem Vermögen uns in unserer Lebenswirklichkeit zu ihr zu verhalten, sind wir doch nicht frei von „Sünde“. Weil wir eben Menschen sind. Wir werden schuldig und andere werden an uns schuldig. Mit diesem Wissen leben wir. Davon können wir uns nicht frei machen. Doch Gott wendet sich den Menschen, die sich selber gerade von ihm abgewendet haben, zu. Er lässt sich auf uns ein, so wie wir sind mit all dem Guten aber auch dem Bösen, das eben in uns ist.

Der Bibeltext legt unser aller Menschheitsgeschichte in einen Mythos. Gott bewahrt uns trotz und gerade wegen all unserer Unvollkommenheit. Wir hören den Text, sehen das Kreuz und sind mittendrin in der Passion. Am Beginn schauen wir schon auf das Ende. Das Ganze wird in den Blick genommen. Gott hat uns seinen Sohn geschenkt. Nackt und leidend am Kreuz. Durch seinen Leidensweg ist Christus uns nahe in all unserer Unzulänglichkeit. Gerade damit ist er nicht mehr nur unser Gegenüber, er ist mit uns. Gott nimmt den Tod, der uns bereits im Paradies zugesprochen worden ist, auf sich. Durch seinen Tod werden wir gerechtfertigt, er schenkt uns seine Gnade.

Das ist das Wunder. Das ist das Geschenk. Durch ihn dürfen wir in der Gewissheit leben, dass wir gerechtfertigt sind.

Wo bist du?

Gott geht uns nach, bis er uns findet. Auch dann, wenn wir uns vor ihm verstecken. Amen

Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen Pastorin Carolin Lilienthal



P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!


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