Gruß zum Sonntag

 

Gruß zum Sonntag Miserikordias Domini am 14. April 2024
von Pastorin Karopka

 
 

Liebe Gemeinde,

vertraute Texte und lebensbegleitende Bilder hören wir an diesem Sonntag, der im Kirchenjahr auch als Hirtensonntag bezeichnet wird. Die Worte des 23. Psalms und Jesus Wort „Ich bin der gute Hirte“ lassen uns in das Vertrauen fallen, dass wir auf Gottes Führung hoffen dürfen, in allen Lebenslagen.    

In unserem heutigen Predigttext wirkt das zunächst ganz anders. Es ist eine Geschichte zweier starker Frauen – für beide hat Gott große Verheißungen. Es ist aber auch eine Geschichte, in der beide in ihrer schwierigen Situation menschliche Schwäche zeigen. Es ist die Geschichte von Sarai und Hagar, wie sie uns aufgeschrieben ist im 1. Buch Mose im 16. Kapitel:   

Sarai, Abrams Frau, gebar ihm kein Kind. Sie hatte aber eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. Und Sarai sprach zu Abram: Siehe, der Herr hat mich verschlossen, dass ich nicht gebären kann. Geh doch zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie zu einem Sohn komme.

Und Abram gehorchte der Stimme Sarais. Da nahm Sarai, Abrams Frau, ihre ägyptische Magd Hagar und gab sie Abram, ihrem Mann, zur Frau, nachdem Abram zehn Jahre im Lande Kanaan gewohnt hatte. Und er ging zu Hagar, die ward schwanger. Als sie nun sah, dass sie schwanger war, achtete sie ihre Herrin gering. Da sprach Sarai zu Abram: Das Unrecht, das mir geschieht, komme über dich! Ich habe meine Magd dir in die Arme gegeben; nun sie aber sieht, dass sie schwanger geworden ist, bin ich gering geachtet in ihren Augen. Der Herr sei Richter zwischen mir und dir. Abram aber sprach zu Sarai: Siehe, deine Magd ist unter deiner Gewalt; tu mit ihr, wie dir’s gefällt. Da demütigte Sarai sie, sodass sie vor ihr floh.

Aber der Engel des Herrn fand sie bei einer Wasserquelle in der Wüste, nämlich bei der Quelle am Wege nach Schur. Der sprach zu ihr: Hagar, Sarais Magd, wo kommst du her und wo willst du hin? Sie sprach: Ich bin von Sarai, meiner Herrin, geflohen. Und der Engel des Herrn sprach zu ihr: Kehre wieder um zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand. Und der Engel des Herrn sprach zu ihr: Ich will deine Nachkommen so mehren, dass sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können. Weiter sprach der Engel des Herrn zu ihr: Siehe, du bist schwanger geworden und wirst einen Sohn gebären, dessen Namen sollst du Ismael nennen; denn der Herr hat dein Elend erhört. Er wird ein Mann wie ein Wildesel sein; seine Hand wider jedermann und jedermanns Hand wider ihn, und er wird sich all seinen Brüdern vor die Nase setzen. Und sie nannte den Namen des Herrn, der mit ihr redete:

Du bist ein Gott, der mich sieht. Denn sie sprach: Gewiss hab ich hier hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat. Darum nannte man den Brunnen: Brunnen des Lebendigen, der mich sieht. Er liegt zwischen Kadesch und Bered. Und Hagar gebar Abram einen Sohn, und Abram nannte den Sohn, den ihm Hagar gebar, Ismael. Und Abram war sechsundachtzig Jahre alt, als ihm Hagar den Ismael gebar.

Liebe Gemeinde,

diese Geschichte von Hagar und Ismael gehört hinein in den großen Erzählzusammen-hang von Sarah und Abraham, den die Bibel schon in ihren ersten Kapiteln entfaltet. Abraham (Abram, wie er zunächst noch heißt), erhält von Gott den Auftrag, aus seiner vertrauten Umgebung zu gehen, aufzubrechen in ein ihm fremdes Land. Mit Gottes Segen darf er ziehen und bekommt viele Nachkommen versprochen.  

Abraham und Sara (anfangs noch Sarai genannt) ziehen aus – allein getragen vom Vertrauen auf Gott. Aber das Vertrauen bekommt Risse. Sara wird nicht schwanger. Es stellt nicht nur ihre Würde als Frau infrage, sondern eigene Kinder waren damals vor allem für die Altersversorgung sehr wichtig. Sie ist traurig über ihre Kinderlosigkeit, aber vor allem sieht sie auch die Verheißung gefährdet, dass Abraham viele Nachkommen geschenkt werden. Deshalb macht sie ihrem Mann den Vorschlag, er soll zu ihrer Magd Hagar gehen. Vielleicht kann Sara durch sie zu einem Sohn kommen.

Aus ethischer Perspektive sind es sehr fragwürdige Bilder, die diese biblischen Zeilen hervorrufen, aber damals war es durchaus übliche Praxis. 

Hagar, die ägyptische Magd, wird schwanger und sie fühlt sich dadurch gestärkt. Sie fühlt sich nicht länger als die Untergebene ihrer Herrin, sondern sie hat ihr nun deutlich etwas voraus. Das wiederum hält Sara nicht aus. Sie will die schwangere Hagar demütigen. Und Abraham erlaubt es ihr: „Siehe, Hagar, deine Magd ist unter deiner Gewalt. Tu mit ihr, wie dir’s gefällt.“

Da sieht Hagar keinen anderen Ausweg, als vor ihrer Herrin zu fliehen. Sie flieht mitten hinein in die Wüste, in die trockene Einöde. Mit drei verschiedenen Blicken können wir dort auf Hagar sehen:

Hagar, die Geflohene  

Aus Angst davor, dass Sara ihr Gewalt antun wird, sieht sie keinen anderen Ausweg, als in die Wüste zu fliehen, mit ihrem noch ungeborenen Kind.

Nach ihr ging und geht es bis heute Tausenden Frauen so, dass sie aus ihren Häusern und vertrauten Umgebungen fliehen, weil die Lebensgrundlage weg ist, weil sie von Gewalt umgeben oder bedroht sind, weil sie aus der grauen Hoffnungslosigkeit in einen neuen Morgen ziehen wollen.

Hagars Weg führt in die Wüste, in die trockene, karge Einsamkeit. Alles andere als die Fülle des Lebens liegt vor ihr. Aber an einer Wasserquelle begegnet ihr der Engel des Herrn.

Hagar, die Gefundene

Der Engel stellt ihr Fragen, die auch uns selbst immer wieder bewegen: Wo kommst du her und wo willst du hin? Fragen, die unser Handeln und Denken beeinflussen und gleichzeitig immer wieder neu ausrichten können. 

In diesen Fragen begegnet ihr ein Engel als Bote Gottes, der zeigt, dass Gott sie sieht - in ihrer Erniedrigung, in ihrer Einsamkeit, in ihrer Not. Er weiß, aus welcher Situation Hagar kommt. Und gleichzeitig weist er ihr einen Weg, der von großer Verheißung begleitet wird. „Kehre wieder um zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand. Gott will aber deine Nachkommen so mehren, dass sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können.“

Hagar erhält ihre Würde wieder, auch wenn sich an ihrem Stand als ägyptische Sklavin nichts geändert hat. Sie spürt, dass sie von Gott gesehen und mit neuer Hoffnung beschenkt wird, so wie Gott immer wieder Menschen aufrichtet und sie ermutigt. So wird sie

Hagar, die Dankbare

„Du bist ein Gott, der mich sieht“, kann sie voller Freude sagen und singen. Sie erhält neues Selbstbewusstsein allein dadurch, dass sie von Gott angesehen und somit wahrgenommen wird. Das verändert ihre Haltung – äußerlich und innerlich.

 „Du bist ein Gott, der mich sieht“, aus dieser Zusage schöpfen wir bis heute unsere  Zuversicht, dass wir von dem lebensspendenden Gott begleitet werden, dass er uns somit ein guter Hirte ist, wohin der Weg uns auch führt.

„Du bist ein Gott, der mich sieht“ – ich wünsche Ihnen, dass es auch in Ihrem Leben wie das Loblied Hagars klingt.    

 

Ihre Pastorin Mechthild Karopka

 

P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!


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